Der Rückfall beginnt meist schon lange vorher im Kopf

 

 

 

Der Rückfall beginnt überwiegend schon lange vorher im Kopf  

Eingeleitet wird ein Rückfall nicht nur von einem Mangel an festem Vorsatz bezüglich der Abstinenz, sondern bisweilen paradoxerweise von einem Zufiel an guten Vorsätzen. Wenn man sich nämlich in dem ersten „Höhenrausch“ (Euphorie) der Abstinenz zu viel vornimmt, dann wird die Umsetzung schwierig und es entsteht eine Unzufriedenheit mit sich selbst. Wird diese Unzufriedenheit dann zu einem Dauerzustand, entsteht daraus bald das Verlangen nach Erleichterung: Im Bewusstsein des Betroffenen bildet sich der Eindruck, dass sich die Abstinenz eben doch nicht „lohnt“.

Hinzu kommt, dass Abhängige, denen Anerkennung von außen sehr wichtig ist, diese nur anfangs für die abstinente Lebensführung erhalten. Mit der Zeit wird diese Lebensweise für die anderen selbstverständlich, sodass niemand mehr den Alkoholiker dafür lobt oder ihm Anerkennung zollt, was ihn enttäuschen mag.

Das Ausmaß und die Wucht des Rückfalls werden außerdem oft noch davon mitbestimmt, wie lange der Betreffende abstinent gelebt hat und was er damit verbindet. Es scheint, dass Schuld, Scham und Selbstverachtung wegen der Rückfälligkeit um so größer sind, je länger die Abstinenz schon dauert. Wer nicht Tag für Tag abstinent lebt, sondern die Abstinenztage wie einen Berg Geld auftürmt, der verliert natürlich besonders viel, wenn er mit einem Rückfall alles „Ersparte“ in einem großen Loch verschwinden sieht:

Mit einem einzigen Glas ist man kein Abstinenter mehr! Man ändert schlagartig seine Identität von „abstinent“ in „rückfällig“, sodass es dann schon völlig egal ist, wie viel man trinkt. Und jeder Alkoholiker weiß, dass Selbstvorwürfe und Schamgefühle zwar nicht verschwinden, wenn man trinkt, dass sie aber doch irgendwie erträglicher werden. Wer sich also selbst mit übersteigerten Selbstvorwürfen überschüttet, entlastet dadurch zwar sein Gewissen in bestimmter Weise, aber er verschlimmert eventuell eher noch den Rückfall. Deshalb empfehlen wir eine andere Denkweise.

Der Rückfall ist aber nur zum Teil eine Frage der Willenskraft, des Denkens oder der Dummheit. Zuallererst ist er ein Produkt des Ausweichens und der falschen Sicherheit: Die meisten weichen jeglicher Beschäftigung mit dem Rückfall von vornherein aus, zum Beispiel mit der Begründung:

"Das ist kein Thema mehr für mich, denn ich will ja nicht mehr trinken".

Da aber Willenskraft etwas Veränderliches ist und aus vielen Quellen gespeist wird, sollte jeder seine eigenen Rückfälle während der Therapie quasi „im Sandkasten bauen“, das heißt in Gedanken und mithilfe der anderen Gruppenmitglieder mögliche Anlässe und Verhaltensweisen für kritische Lebenssituationen durchspielen. Keine Angst! Dadurch bereitet man den Rückfall nicht vor, sondern durchkreuzt ganz im Gegenteil einige der unbewussten Programmierungen dafür.

 

 

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